Ob bei der Vermittlung von Immobilien, der Verwaltung von Wohnhäusern oder der Auswertung von gebäudebezogenen Daten: Junge, online-orientierte Unternehmen verändern die Immobilienwirtschaft. Doch vom Anspruch, die etablierten Branchenteilnehmer zu verdrängen, haben sich die Start-ups verabschiedet – Kooperation statt Konfrontation heißt jetzt die Devise.
An einem Frühlingstag des Jahres 2015 machte sich ein Start-up in einer schicken Büroetage in Berlin-Charlottenburg daran, die Immobilienbranche auf den Kopf zu stellen. Smmove nannte sich die junge Firma, die ein internet-basiertes Modell der Vermittlung von Mietwohnungen vorstellte und dabei vollmundig eine „Revolution der Immobilienfindung“ ankündigte. Doch die Revolution erwies sich als Rohrkrepierer: Smmove ist längst von der Bildfläche verschwunden, während alteingesessene Maklerbüros und Immobilienportale wie ImmobilienScout24 noch immer erfolgreich ihrem Geschäft nachgehen.
Allerdings sind keineswegs alle Start-ups gescheitert, die in den vergangenen Jahren an der Digitalisierung der Immobilienbranche gearbeitet haben. Ganz im Gegenteil: Nicht wenige von ihnen haben sich etabliert und die Immobilienbranche zwar nicht revolutioniert, aber grundlegend verändert. Das beweist nicht zuletzt der Umstand, dass auf der Expo Real – der großen, alljährlich im Oktober in München stattfinden Branchenmesse – die sogenannten PropTechs eine bedeutende Rolle spielen und dort mit einem eigenen Bereich (REIN – Real Estate Innovation Network) zahlreiche Besucher anziehen.
Verschiebungen in der PropTech-Welt
PropTech ist ein Kunstwort, das sich aus Property und Technology zusammensetzt. Unter diesem Begriff versteht man junge, innovative Unternehmen, die mit Mitteln der Digitalisierung immobilienwirtschaftliche Bereiche abdecken. Und von diesen Unternehmen gibt es eine ganze Menge: Laut einer Erhebung des Informationsdiensts PropTech.de waren im April 2019 in Deutschland, Österreich und der Schweiz insgesamt 289 PropTechs aktiv.
Bemerkenswert daran ist, dass Zahl der PropTechs in den Tätigkeitsfeldern „Vermietung und Verkauf“ sowie „Makler-Tools“ im Vergleich zum Vorquartal gesunken ist. Dabei waren gerade diese Bereiche ursprünglich das wichtigste Tummelfeld der jungen Wilden. Smmove war bei weitem nicht das einzige Start-up, das den klassischen Immobilienmaklern und den etablierten Internetportalen den Kampf ansagte. Die Vermittlung von Immobilien zur Miete und zum Kauf könne doch online funktionieren, argumentierten zahlreiche Unternehmensgründer – und mussten dann oft erkennen, dass sie den herkömmlichen Maklern das Wasser nicht abgraben konnten.
Einzelne Unternehmen in diesem Bereich haben es allerdings geschafft, sich zu etablieren. Dazu zählt das Start-up Maklaro, das Wohnimmobilien im Online-Bieterverfahren verkauft, sowie die Maklerfirmen Realbest und McMakler, die sich einem hybriden Geschäftsmodell verschrieben haben: Sie arbeiten mit vor Ort präsenten Maklern, digitalisieren aber die Abläufe und versprechen so effizientere Prozesse und eine höhere Kundenzufriedenheit.
Stark an Bedeutung gewonnen haben darüber hinaus Tätigkeitsfelder, die noch vor wenigen Jahren ein Schattendasein führten. So haben sich Unternehmen wie Architrave, Evana und Leverton auf die automatische Auswertung von Verträgen und anderen Dokumenten mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz spezialisiert. Immer wichtiger wird auch Virtual Reality. Das Karlsruher Unternehmen Inreal Technologies beispielsweise visualisiert Gebäude, bevor sie gebaut sind, und ermöglicht es so den künftigen Mietern, sich lange vor Fertigstellung ein Bild ihres künftigen Arbeitsplatzes oder ihre künftigen Wohnung zu machen. Und auch im Bereich Baubetreuung setzen PropTechs vermehrt digitale Methoden ein. Zu den Vorzeigeunternehmen zählt hier die PlanRadar GmbH, die durch eine digitale Dokumentation aller Abläufe auf der Baustelle Zeit und Kosten zu sparen verspricht.
Ebenfalls ihren Platz gefunden haben PropTechs, die Immobiliengesellschaften und ihren Nutzern Vorteile bei der Gebäudebewirtschaftung bieten. Die Doozer GmbH etwa unterstützt große Bestandshalter bei der Sanierung von Wohnungen, indem sie die Sanierungsprozesse über eine Online-Softwareplattform digitalisiert. Und das Berliner Unternehmen Kiwi bietet eine Technologie an, die Türen schlüssellos öffnet – was nicht nur Müttern mit Kinderwagen zugute kommt, sondern auch Wohnungsunternehmen, die so das Schlüsselmanagement deutlich vereinfachen können.
Kooperation statt Disruption
Alle diese Beispiele unterstreichen, dass sich die PropTech-Szene stark gewandelt hat: Aus der Konfrontation der ersten Jahre ist Kooperation geworden. Anfänglich nahmen die Start-ups für sich in Anspruch, die als verstaubt und wenig innovativ geltende Immobilienbranche aufzumischen und alteingesessene Marktplayer zu verdrängen – Disruption, also die Umstürzung bestehender Geschäftsmodelle, war das damals vielzitierte Schlagwort.
Dass das so nicht funktioniert, musste nicht nur das Makler-Startup Smmove schmerzlich erfahren. Auf dem Markt behauptet haben sich hingegen viele PropTechs, die gezielt den Austausch mit der „alten“ Welt gesucht haben. Das kann bis hin zur finanziellen Beteiligung von Großkonzernen an Start-ups gehen. Am Datenmanager Architrave beispielsweise sind die Fondsgesellschaften Union Investment und Deka beteiligt, und am Türöffnungs-Spezialisten Kiwi besitzt der MDAX-Konzern Deutsche Wohnen SE eine Minderheitsbeteiligung.
Laut einer aktuellen Studie von Union Investment und dem German Tech Entrepreneuership Center suchen gut 70 Prozent der PropTechs den Zugang zu etablierten Playern. 52 Prozent beklagen allerdings auch „langsame und anstrengende Entscheidungsprozesse“ als Hauptproblem bei der Anbahnung von Kooperationen mit etablierten Unternehmen.
Tatsächlich sind solche Kooperationen nicht einfach, wie Jörn Stobbe feststellt, Chief Operating Officer bei Union Investment. In vielen Fällen fehle den jungen Unternehmensgründern das Verständnis für die Entscheidungsprozesse in der Immobilienbranche, stellt er fest. „Entscheidungsprozesse lassen sich nicht disruptiv verändern“, sagt Stobbe. Er empfiehlt deshalb gemeinsame Pilotprojekte als den „effizientesten Weg, sich kennenzulernen“.
An Themen für solche Pilotprojekte dürfte es nicht mangeln – jedenfalls lassen die Entwicklungen bei Künstlicher Intelligenz, Internet of Things und Blockchain erwarten, dass sich die Transformation der Immobilienwirtschaft fortsetzen und damit die Bedeutung der PropTechs weiter wachsen wird.