Dass Hard- und Software die Aufgaben von Menschen übernimmt, vereinfacht und beschleunigt, wird auch im Personalmanagement mehr und mehr zur Selbstverständlichkeit. Aufgrund der hohen Spezialisierungen und Kontaktdichte stellt sich die Frage, welche Aufgaben Menschen tatsächlich noch besser erfüllen können als Computer oder wo sie zumindest tatkräftige Unterstützung der Maschinen gut gebrauchen kann. Der vierte und letzte Teil unserer aktuellen Miniserie fragt: Was ist Robot Recruiting?
Wer „Vera“ hört, denkt vielleicht nicht als erstes an einen Roboter. Noch dazu an einen, der die Arbeit von Personalberatern und Recruitern ersetzen können soll. Vor zwei Jahren stellte das russische HR-Tech-Unternehmen Stafery Ltd. den Softwareroboter Vera vor. Nicht nur wurde angepriesen, dass er bzw. sie – ähnlich wie beim Data Driven Recruiting – zu einer Stellenanzeige aus angeschlossenen Datenbanken automatisch passende Kandidaten finden konnte. Als angeblich erster vollautomatischer KI-basierter Headhunter soll Vera auch telefonische und auch Video-Interviews führen und Emotionen erkennen können. An der Frage, ob es sich dabei tatsächlich bereits um effektiv nutzbare künstliche Intelligenz handelt oder eher um einen geschickten Marketing-Stunt, lassen Testberichte zumindest einige Zweifel.1
Derweilen sind weniger science-fiction-haft anmutende Szenarien in der Praxis längst angekommen. Chatbots werden so beispielsweise verwendet, um in Recruitingprozessen eine Vorauswahl treffen zu können. Hier werden dem Kandidaten in einem automatisierten Text-Interview einfache Fragen gestellt, die ein erstes Interesse an einer Vakanz abklären sollen oder einen Gehaltsrahmen erfragen. Umgekehrt erhält der Bewerber die Möglichkeit, Fragen an das Unternehmen zu richten bezüglich der Rahmenbedingungen einer Vakanz, sozialen Leistungen oder Weiterbildungsmöglichkeiten.
Zudem gibt es Software, die Routineaufgaben, welche in hoher Menge und Frequenz anfallen, für den Recruiter übernehmen und vereinfachen. Dazu gehört die automatisierte Verarbeitung und Analyse von Lebensläufen, Anschreiben und Arbeitsproben nach bestimmten Kriterien und Filtern.
Neben der Zeitersparnis zählen also auch die Themen Neutralität und Diskriminierungsfreiheit zu den Pro-Argumenten des softwarebasierten Robot-Recruitings. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz fordert eine vorurteilsfreie Behandlung aller Beteiligten eines Bewerbungsprozesses. Das Risiko, dass bereits in der Vorauswahl unbewusste Mechanismen greifen, kann natürlich mit einer automatisierten Lösung, die den menschlichen Faktor ausschließt, minimiert werden. Vielleicht sind auch deshalb softwarebasierte Bestandteile in Rekrutierungsprozessen in den USA schon deutlich weiter entwickelt und standardisiert als in Deutschland, da die Themen Political Correctness und Diversity dort kulturbedingt wesentlich stärker verankert sind.
Zugleich rufen eben diese Themen aber auch besorgte Kritiker auf den Plan. Da die auswählenden und verarbeitenden Algorithmen aus der Hand von Menschen stammen, kann also durchaus die Frage gestellt werden, wie neutral sie damit wirklich sein können. Zudem besteht das Risiko von Programmierfehlern oder einer mangelnden Fehlertoleranz, die bei der Analyse von einer Bewerbung zu Grunde liegenden Dokumenten auch solche Kandidaten aussieben könnten, die eigentlich in eine engere Auswahl kommen sollten.
Last, but not least, handelt es sich beim Recruiting und dem Personalwesen wie bei kaum einem anderen um ein People’s Business. Die Menschlichkeit sollte also gerade hier nicht auf der Strecke bleiben. Wer möchte schon gern mit einem Chatroboter sprechen oder einer automatisierten Telefonstimme, besonders, wenn es um ein sensibles Thema wie Karriereentscheidungen geht?